Interview: Veranstaltungen nachhaltiger machen
Das Bewusstsein für die Bedeutung von Nachhaltigkeit wächst auch in der Veranstaltungsbranche. Weltweit mehr als 400 Unternehmen der Messe- und Eventbranche haben inzwischen die „Net Zero Carbon Events Pledge“ unterzeichnet. Darin verpflichten sie sich, bis spätestens 2030 die Emission von Treibhausgasen zu halbieren und bis 2050 auf null herunterzufahren. Düsseldorf Congress als Tochterunternehmen der Messe Düsseldorf und der Landeshauptstadt Düsseldorf verfolgt dieses Ziel mit einer breit angelegten Strategie und Initiativen, die bereits in den zurückliegenden Jahren entwickelt wurden.
Wie der Status quo heute ist, wohin die Reise geht und welche besonderen Herausforderungen es gibt – darüber sprachen wir im Rahmen unserer Serie „People of Düsseldorf Congress“ mit Markus Demuth, dem Leiter des Qualitätsmanagements.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit heute bei Kongressen, Tagungen und Events?
Markus Demuth: Eine deutlich wachsende Rolle. Im Unterschied zur letzten Dekade, als wir von unserer Seite erste Initiativen entwickelt haben, ist das Thema inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das gilt für alle Stakeholder einer Veranstaltung: Egal, ob Besucher oder Teilnehmer, Unternehmer oder Veranstalter – die Sensibilität und die Nachfrage nach belastbaren Standards ist auch unabhängig der politischen Vorgaben spürbar gestiegen. Das freut uns insofern, als dass wir heute im Unterschied zu früher bei der Planung von Veranstaltungen ein gestiegenes Initiativinteresse zur Nachhaltigkeit registrieren. Dadurch wird es einfacher, gemeinsam mit Kunden und Partnern Lösungen zu entwickeln. Dabei zeigt sich immer mehr: Der Wille zur Nachhaltigkeit ist heute deutlich stärker als das Müssen. Das ist eine Ausgangslage, die uns mit Blick auf die weitere Entwicklung zuversichtlich stimmt.
Wie würden Sie den Status quo beschreiben? Wo steht die Veranstaltungsbranche?
Markus Demuth: Wir alle in der Veranstaltungswirtschaft sollten unumwunden einräumen, dass sich der Dienstleistungssektor später auf den Weg gemacht hat als das produzierende Gewerbe und die Industrie. Hier bestand – beispielsweise bei den Immissionen – frühzeitig ein gesetzlicher Regelungsbedarf. Im Vergleich dazu bewegt sich die Veranstaltungsbranche derzeit in einer dynamischen Entwicklungsphase.
Wir selbst sind bereits 2012 als erstes deutsches Kongresszentrum und Gründungsmitglied der Nachhaltigkeitsinitiative „fairpflichtet“ beigetreten und sind seitdem dem Nachhaltigkeitskodex verpflichtet; gleichzeitig ist das CCD das erste internationale Kongresszentrum in Deutschland, das ebenfalls 2012 mit dem Nachhaltigkeitszertifikat „Green Globe“ ausgezeichnet wurde. Dennoch sind das keine Lorbeeren, mit denen wir uns brüsten, weil der Weg zur Nachhaltigkeit ein fortwährender Prozess ist. Als wir damals damit anfingen, war das Thema vielfach noch nicht im Bewusstsein unserer Kunden – und wenn wir ehrlich sind – auch nicht zwingend auf der handlungsleitenden Agenda unserer Mitarbeiter. Trotzdem ist es wichtig, auf diese ersten Initiativen aufzusetzen: Es sind Ankerpunkt, die eine Entwicklungslinie begründen, die wir heute engagiert fortsetzen – gemeinsam mit unseren Kunden.
Worin liegen denn die besonderen Herausforderungen beim Thema Nachhaltigkeit in der Veranstaltungswirtschaft?
Markus Demuth: Kongresse, Tagungen und Events sind Produkte, die ein Spezifikum gemeinsam haben: Der Kunde – egal, ob Besucher, Teilnehmer oder Aussteller – ist Teil des Produktes. Ohne ihn gäbe es das jeweilige Event gar nicht. Das heißt: Er oder sie ist Akteur und gleichzeitig „Konsument“. Warum ist das wichtig zu wissen? Weil genau hier die Wetterscheide einer aktiven Nachhaltigkeitsstrategie verläuft.
Das zeigt die Auswertung der C02-Footprints: Nur gut fünf Prozent der C02-Emissionen einer Veranstaltungen gehen direkt auf den Bau und Betrieb unserer Räumlichkeiten zurück, weitere zehn Prozent werden durch Dienstleistungen wie beispielsweise das Catering verursacht. Der weitaus größte Teil der Belastung – gut 85 Prozent – resultieren aus der Mobilität und dem Aufenthalt der Teilnehmer. Sie zählen also zu dem, was als Scope 3 kategorisiert wird – indirekte Emissionen, die entlang der Wertschöpfungskette entstehen und weitaus schwerer zu beeinflussen sind als das, was in unseren eigenen Händen liegt. Hier liegt sicher eine der größten Herausforderungen.
Wo haben Sie in den zurückliegenden Jahren Fortschritte gemacht?
Markus Demuth: Seit 2012 haben wir in den Feldern Scope 1 und Scope 2 deutliche Fortschritte gemacht, also in den Bereichen, die direkt in unserer Verantwortung liegen – wie beispielsweise die Stromversorgung, die wir auf Öko-Strom umgestellt haben oder die Abfallvermeidung und -verwertung, bei wir auf konsequent auf Kreislaufwirtschaft setzen. Gleiches gilt für die Gebäudeunterhaltung, wo wir durch den Einsatz von LED-Beleuchtungen den Energieverbrauch deutlich reduzieren konnten und auch das Belüftungssystem durch den Einbau von HEPA-Filtern kernsaniert haben. Im Scope 2 führen wir regelmäßige Gespräche mit unseren Servicepartnern – beispielsweise im Catering – und sind auf einem guten Weg.
Wie sehen die weiteren Planungen aus?
Markus Demuth: Ganz aktuell erarbeiten wir als Düsseldorf Congress im EVVC, dem Europäischen Verband der Veranstaltungs-Centren, in einem Arbeitskreis zusammen mit der DBU, der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, daran, einen Kriterienkatalog für nachhaltige Veranstaltungen zu erstellen. Ziel dieser Initiative ist es, den Blauen Engel als Qualitätssiegel für nachhaltig durchgeführte Veranstaltungen zu etablieren. Das ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin, transparente Standards und Zertifikate zu definieren.
Darüber hinaus stehen wir im regelmäßigen Austausch mit der Messe Düsseldorf, die seit letztem April eine Stabsstelle für Corporate Social Responsibility (CSR) geschaffen hat und derzeit eine entsprechende Strategie und ein konzernweites Monitoring vorbereitet. Für uns ist das ein Glücksfall: Denn die Expertise, die dort erarbeitet wird und zum Tragen kommt, fließt maßgeblich auch in unsere Arbeit ein. Hiervon versprechen wir uns neue Impulse.
Was geben Sie Veranstaltern mit auf dem Weg?
Markus Demuth: Ganz wichtig scheint es mir zu sein, dass wir die Dinge vom Ende zum Anfang denken. Das ist das Prinzip der Kreislaufwirtschaft. Denn Nachhaltigkeit ist nichts, was kommt, wenn alles fertig ist, sondern von Anfang an in die Planung einer Veranstaltung einbezogen werden muss. Hierzu bedarf es kompetenter Beratung durch die Kollegen im Team von Düsseldorf Congress. Deshalb ist es einer unserer nächsten Ziele, hier durch Aus- und Weiterbildungen mehr Beratungskompetenz aufzubauen. Wie ich schon eingangs sagte: Die Bereitschaft und Sensibilität unserer Kunden beim Thema Nachhaltigkeit wächst. Davon können alle nur profitieren – allen voran die Umwelt.
Gastautor: Mike Seidensticker